Warum nicht Naturwissenschaftlerin?
Wie spannend und interessant die Naturwissenschaften auch für Frauen sein können, zeigten am Schnuppertag für Mittelschülerinnen unzählige Forschende aus den Fächern Chemie, Geologie, Informatik, Mathematik und Physik.
Der Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät, Prof. Gilberto Colangelo, begrüsste die zahlreichen Mittelschülerinnen mit einer persönlichen Geschichte: Seinem Grossvater war es bereits in den Zwanzigerjahren ein wichtiges Anliegen, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen erhalten sollten. So studierten vier der fünf Töchter naturwissenschaftliche Fächer. Die Mutter von Gilberto Colangelo wurde Ingenieurin und arbeitete in ihrem Beruf, während sie ihre vier Kinder aufzog.
Forschung ist wie ein Krimi
Nach der Begrüssung begaben sich die Schülerinnen in die Fachbereiche. In der Geologie befragte Jörg Hermann, Professor für Petrologie, wie ein Kriminalinspektor eine Schülerin zu deren Vortag: Wo sie gewesen sei, wie warm es gewesen sei und wer mit dabei gewesen sei. Ähnlich mache er es mit den Steinen, die er quasi auch befrage: Wie heiss war es für sie im Erdinneren? Woraus bestehen sie genau? Fragen seien das wichtigste Element in der Wissenschaft, nur die ewige Neugierde bringe Forschende weiter.
Jörg Hermann erklärte den Schülerinnen mit einer Analogie zum Rosettastein, welche Übersetzungstools es braucht um die nötigen Informationen aus den Steinen herauszulesen. Geologen nutzen Feldbeobachtungen, analytische Geräte, Experimente und Modellierungen.
Anschliessend stellte er die Vielfalt der Geologie anhand der Forschungsgruppen vor. Geologen forschen alles: von Prozessen entlang von Plattengrenzen bis hin zum atomaren Aufbau von Mineralen. Sie tragen vieles zur Klimaforschung bei oder suchen nach sekundären Rohstoffen bei der Kehrichtverbrennung.
An Hand des Studienplans erfuhren die Schülerinnen, welche Module die Studierenden in die vorgestellten Thematiken einführen und dass gerade für Vorlesungen wie Geochemie oder Geophysik eine gute Basis in Mathematik, Physik und Chemie nötig sind.
Mit den Stundenplänen des 1. und 3. Semesters gaben die Studierenden einen Einblick in den Studienalltag. Insbesondere betonten sie, dass die propädeutischen Grundlagenfächer machbar sind, wenn man sich entsprechend mit den Übungen und in Lerngruppen gut vorbereitet. Für ein naturwissenschaftliches Studium kann eine vorige Vertiefung in Physik und Anwendungen der Mathematik (PAM) zwar nützlich sein, Voraussetzung ist es jedoch nicht. Denn das Ziel der propädeutischen Fächer ist es, alle auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Arbeiten in kleinem Umfang neben dem Studium sei möglich, so lange die Arbeitszeiten flexibel handhabbar sind.
Zum Schluss wiesen die Studierenden auf das attraktivste am Geologiestudium hin: Auf Exkursionen können sie ihr Wissen in der Natur anwenden und Beobachtungen in kleinen Gruppen mit Assistierenden diskutieren.
Einblicke in die Forschung
Nach der Einführung ins Studium stellten Masterstudierende oder Doktoranden ihre persönliche Forschungsarbeit vor, wie ,«Spurensuche im Grundwasser: Charakteristiken in unserem Wasser», «Schlacke aus der Kehrichtverbrennung – Es glänzt nicht alles was Gold ist», «Von der Erdkundungstour von Bergflüssen mit Drohnen bis zum 3D Modell» oder «Der Rutschung bei der Moosfluh auf der Spur».
Zum Abschluss hatten die Schülerinnen die Gelegenheit mit den Studierenden und Doktorierenden über deren persönliche Erfahrungen zu sprechen: Wie sie zum Studium kamen, was ihnen besonders gefällt und wie ihr Studienalltag aussieht.
Wertvolle Inputs von berufstätigen Frauen
Am Mittag stellten sich Berufsfrauen aus den Naturwissenschaften vor. Die Informatikerin Muriel Helmers berichtete, dass es nicht nötig sei schon vor dem Studium ein Informatikcrack zu sein. Ihr habe das Studium viel Freude bereitet, insbesondere die Arbeit in einem Team, das eine Animation für das historische Museum erstellte. Auch ihre Masterarbeit über Handschrifterkennung sei ein spannendes Projekt gewesen.
Nach dem Studium arbeitete sie an den unterschiedlichsten Orten (Post, UNO Genf und Kathmandu, Clinical Trials Unit beim Inselspital Bern). Sie habe nie das Gefühl gehabt, als Frau benachteiligt zu werden. Im Gegenteil: auf Jobsuche sei sie eher bevorzugt worden, da es in der Informatik nur wenige Frauen gibt. Ein spannender Moment war, als es um den Wechsel in eine Führungsposition ging: «Ursprünglich wollte ich kein Team übernehmen, da ich nur Teilzeit arbeite. Mein Chef ermunterte mich jedoch, es trotzdem zu versuchen. Mittlerweile führe ich ein Team von 10 Mitarbeitenden.» Ihr Fazit ist, dass es Informatikerinnen in allen Lebensbereichen brauche. Es sei nicht nötig, sich auf etwas bestimmtes festzulegen.
Die Geologin Luca Abbühl blickt auf ein spannendes Studium zurück mit vielen Erlebnissen, wie beispielsweise einem Aufenthalt auf einem Forschungsschiff in Grönland. Erste Berufserfahrungen sammelte sie bei der Baubegleitung auf der AlpTransit Baustelle in Sedrun, wo sie zuständig war für das Einhalten der Vorschriften auf den Deponien des Tunnelaushubmaterials.
An ihrem Beruf schätzt sie den Mix aus Büroarbeiten und draussen in der Natur zu sein. Sie liebt es Lösungen zu suchen und Verantwortung zu übernehmen. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei kein Problem: «In der Geologie ist es gut möglich, als Mutter das Pensum auf 50% zu reduzieren. Wobei es vorteilhaft ist vorher 80-100% gearbeitet zu haben, um Erfahrung zu gewinnen.» In der Geologie sind 80% Anstellungen durchaus üblich. Sie riet den Schülerinnen, sie sich Anfang Studium noch wenig Gedanken zu machen, wohin es nach dem Studium gehen könnte. Es gibt viele Berufsmöglichkeiten.
Die Physikerin Sumita Pommerol-Chakraborty arbeitet bei Thales Alenia Space in Zürich, wo sie Komponenten für Satelliten baut und testet, unter anderem auch Teleskope, die einmal zum Mars fliegen sollen. Sie schätzt die abwechslungsreiche Tätigkeit, die zu je 50% aus Büro und Laborarbeit besteht, sowie die flexiblen Arbeitszeiten. Besonders froh war sie über den viermonatigen Schwangerschaftsurlaub und dass sie die Möglichkeit habe unbezahlten Urlaub zu nehmen. Ihr Tipp an die Schülerinnen «Haltet durch beim Grundlagenfach Mathematik und lasst euch in eurer Studienwahl nicht verunsichern.»
Am Ende der Veranstaltung meldeten die Schülerinnen zurück, dass sie insbesondere die Gespräche über persönliche Erfahrungen mit den Studierenden hilfreich fanden. Aber auch der Einblick in den Berufsalltag der Naturwissenschaftlerinnen sei sehr informativ und motivierend gewesen.
Schnuppertag Naturwissenschaften für Mittelschülerinnen
Am 22. März besuchten rund 90 Mittelschülerinnen aus der Deutschschweiz die naturwissenschaftliche Fakultät der Universität Bern. Sie kamen um zu erfahren, wie ein naturwissenschaftliches Studium an der Uni Bern aussieht. Insbesondere stand auch die Situation von Frauen in den Naturwissenschaften im Vordergrund. Zwar stieg die Zahl der Studentinnen und Doktorandinnen in den Fächern Chemie, Geologie, Informatik, Mathematik und Physik in den letzten Jahren auf 30-40% an. Der Sprung in die weitere wissenschaftliche Karriere bleibt jedoch noch aus. Ziel des Schnuppertags ist es mit gängigen Klischees aufzuräumen und den jungen Frauen Mut zu machen, sich für ein naturwissenschaftliches Fach zu entscheiden.
Weitere Informationen: www.schnuppertag.unibe.ch